Geschichte
1. Oktober 2002: Das Amtsgericht Otterndorf besteht seit 150 Jahren
Mit dem 1. Oktober 2002 besteht das Amtsgericht Otterndorf 150 Jahre. Es war am 1. Oktober 1852, als für das damalige Königreich Hannover eine einheitliche Gerichtsverfassung eingeführt wurde. Die entsprechenden Gesetze traten an diesem Tage in Kraft. An die Stelle einer Vielzahl verschiedener Untergerichte - im Land Hadeln (jetzt Teil des Landkreises Cuxhaven) hießen sie Kirchspielsgerichte -, traten die Amtsgerichte. Die früheren Justizkanzleien wurden Obergerichte, die späteren Landgerichte. Oberste Instanz war das Oberappellationsgericht in Celle, das heutige Oberlandesgericht. Erstmalig wurde die Rechtspflege in allen Instanzen von der Verwaltung getrennt, so dass erst seit 1852 von einer unabhängigen Gerichtsbarkeit als dritter Gewalt im Staate gesprochen werden kann.
Im Jahre 1106 gab der Erzbischof Friedrich von Bremen sechs Holländern einige sumpfige Landstriche des Landes Hadeln zur Besiedlung. In einem darüber abgeschlossenen Vertrag wird festgelegt, dass diese Siedler eine Art Erbzins zu zahlen haben, ihnen dafür aber zugestanden wird, in Sachen weltlichen Rechts selbständig Verträge zu schließen und Recht zu sprechen. Die Hadler haben es verstanden, diese Privilegien auszubauen und über die Jahrhunderte zu behalten. So wurde jeweils bei einem Regierungswechsel dem neuen Landesherrn gehuldigt, während dieser die alten Privilegien bestätigen musste.
So entwickelten die Hadler ihre eigenen Verfassung, deren Urzelle die Kirchspielsgerichte waren. Jedes Kirchspiel hatte sein eigenes Kirchspielsgericht. Es gab sieben Kirchspielsgerichte im Hadelner Hochland, fünf im Sietland. Sie bestanden aus dem Schultheiß, dem zwei bis vier Landschöffen beigeordnet waren. Sie waren die Gerichte 1. Instanz, führten das Pfandbuch (= Hypothekenbuch), das Fredeboik (= Friedebuch), aus welchen später die Grundbücher hervorgingen, und die Kontraktenbücher mit dinglichen und persönlichen Verträgen. Bei schweren Kriminaldelikten waren sie nur für die Voruntersuchungen zuständig (diese Sachen kamen sodann vor das Obergericht in Otterndorf). Die Gerichtsverhandlungen fanden im Freien auf dem Kirchhof statt.
Das Obergericht in Otterndorf war Appellationsgericht, also 2. Instanz für die von den Kirchspielsgerichten vorgelegten Sachen. Es befand sich früher am Kirchplatz in dem Hause des jetzigen Frisiersalons Fischhöfer.
1768 zog das Gericht um in ein am Markt gelegenes Bürgerhaus - das jetzige Kreishaus. Dort blieb es - seit 1852 als Amtsgericht - bis zur preußischen Verwaltungsreform im Jahre 1885, als der Umzug in das jetzige, 1773 erbaute Amtsgerichtsgebäude erfolgte. Dieses war zuvor das Amtshaus. Warum der damalige Amtmann seine Residenz verließ, weiß der Volksmund. Seine "bessere Hälfte" soll gesagt haben: "Dahinten kommt ja niemand vorbei."
Am 1. Oktober 1952 feierte das Amtsgericht sein hundertjähriges Bestehen. Seither hat sich manches gewandelt.
Der Bezirk des Gerichts wurde im Jahre 1973 durch Auflösung des Amtsgerichts Neuhaus (Oste) um dessen Gebiet vergrößert. Eine erneute Erweiterung des Gerichtsbezirks Otterndorf wurde im Januar 1982 durchgeführt durch Zuschlag des früheren Amtsgerichtsbezirks Osten - dieser war im Jahre 1973 bei Auflösung des Amtsgerichts Osten dem Amtsgericht Stade zugewiesen. Hierdurch sollte eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Kreis- und Gerichtsgrenzen erzielt werden. Zum Kreis Cuxhaven gehörten somit die Gerichte Cuxhaven, Langen und Otterndorf. Durch die Neugliederung der Gerichte wurde im Januar 1982 auch eine räumliche Ausdehnung in das ehemalige Kreishaus - dies beherbergt jetzt das Katasteramt, die Polizei und das Nebengebäude des Amtsgerichts - erforderlich.
Seit dem 1. Juli 1977 wurde beim Amtsgericht zusätzlich das Familiengericht eingerichtet, das u. a. für die Bearbeitung von Scheidungs- und deren Folgesachen zuständig ist.
Zum 1. Januar 2002 wurden dem Amtsgericht Langen als zentralem Registergericht im Landkreis Cuxhaven die Handelsregister- , Genossenschaftsregister- und Partnerschaftsregistersachen übertragen.
Auch die Aufgaben des Gerichts haben seit 1952 mancherlei Änderungen erfahren. So spielt zum Beispiel in Strafsachen die eigentliche Kriminalität nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Strafrichter ist heute hauptsächlich mit Straßenverkehrssachen beschäftigt. Diese sollten teilweise dadurch "entkriminalisiert" werden, dass man sie in das Bußgeldverfahren überführte. Die "Entkriminalisierung" dürfte damit zum Teil auch erreicht worden sein. Der ebenfalls erstrebte Vereinfachungseffekt blieb jedoch aus. Gegen die Entscheidungen der heute zunächst zuständigen Verwaltungsbehörden wird nämlich vielfach Einspruch eingelegt, über den dann das Gericht wieder zu entscheiden hat. Die sich daraus entwickelnden Verfahren sind aber, wie die Erfahrung gelehrt hat, oft schwieriger als normale Strafverfahren und erstaunlicherweise wird vielfach auch sehr hartnäckig darum gekämpft.
Selbst im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit spielen Straßenverkehrssachen, also die Regelung von Unfallfolgen, eine zunehmende Rolle. Im Bereich der Vaterschaftssachen kommt es heute im Gegensatz zu früher auf die Aussagen der Beteiligten und der so genannten Mehrverkehrszeugen nur noch sehr beschränkt an. Die medizinischen Gutachten, vor allem die Blutgruppen-Gutachten, sind soweit entwickelt, dass der Vater mit großer Sicherheit festgestellt werden kann. Die Streitwertgrenze ist von ursprünglich 3000 Mark auf heute 5000 Euro erhöht worden, so dass die Amtsgerichte auch wertmäßig eine erhöhte Zuständigkeit erlangt haben.
Wappen des Alt-Kreises Land Hadeln